Grundlagen der Medizinethik

Schöne-Seifert, Bettina, 2007
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Medienart Buch
ISBN 978-3-520-50301-5
Verfasser Schöne-Seifert, Bettina Wikipedia
Systematik PP - Philosophie u. Psychologie
Schlagworte Medizin, Ethik
Verlag Kröner
Ort Stuttgart
Jahr 2007
Umfang 227 S.
Altersbeschränkung keine
Sprache deutsch
Verfasserangabe Bettina Schöne-Seifert
Annotation Die Autorin, Professorin für Medizinethik seit 2003 in Münster, ist seit nahezu 20 Jahren als namhafte Autorin auf dem Gebiet der Medizinethik vertreten. Das vorliegende Buch ist wohl dem Wunsch der Autorin entsprossen, alle anstehenden Probleme der Medizinethik und deren kontroverse Diskussion darzulegen und zu kommentieren. Dabei greift sie tief in den Sack der publizierten Literatur (fast 400 Zitate aus den letzten 30 Jahren), um einen möglichst neutralen (heißt: liberalen) Überblick zu bieten über jene Probleme, mit denen sie sich als studierte Medizinerin, habilitierte Philosophin und Ethikprofessorin konfrontiert sieht. Frau Bettina Schöne-Seifert beginnt den historischen Überblick über die Entwicklung der modernen Medizinethik mit dem "Nürnberger Kodex" des amerikanischen Militärgerichtshofs 1946, dem Ärztepapst Pius XII. und der Gründung von "Arzt und Christ" in Wien als erster deutschsprachiger Fachzeitschrift in den 50er-Jahren. Zum wissenschaftlichen Status der Medizinethik merkt sie an, dass diese keine Domäne der (Berufs-)Philosophen sein dürfe, wobei ihre eigene "Philosophie" jene der guten und der schlechten Argumente sei (S. 21). Das Kapitel "Medizinethik: Metaethische Fragen" widmet sich der Suche nach einer moralischen Theorie, die - unter ausgiebigen Rückgriffen auf Beauchamp und Childress - als kohärentistisches, ethisches Begründungsmodell für einen Ansatz so einladend erscheint und so verbreitet ist (S. 27). Dieses Modell beziehe seine Attraktivität aus seiner offenen, undogmatischen Kritik und Pluralismus-Offenheit als Wegbereiter für eine angewandte Ethik und deren Stützung durch philosophische Methoden. Bei den "normativen Grundfragen" (S. 39 ff.) wird die Autonomie der Patienten zurecht eingegrenzt, wenn das Abwehrrecht gegenüber einer Therapie suizidale Züge annimmt oder aber automatisch auf aktive Sterbehilfe, assistierten Suizid, genetische Diagnostik, Abtreibung, IVF oder Enhancement ausgedehnt wird. Als Grenzfall normativer Grundfragen werden die Patientenverfügungen behandelt, die seit den frühen 1960er-Jahren in den USA (z. B. DNR als Verzicht auf Wiederbelebung) und erst seit wenigen Jahren in Europa diskutiert werden (Österreichisches Bundesgesetz aus 2006, Deutschland: vorerst nur Stellungnahmen des Nationalen Ethikrates 2005 und 2007), wobei deren universelle Gültigkeit und die damit verbundenen Fragen nur angerissen werden. Die "Heiligkeit" des Lebens und die Debatte um "Personen" füllen ein großes Kapitel, das am ehesten angetan wäre, der Autorin einen persönlichen Standpunkt zu entlocken. Sie belässt es bei der Feststellung (in einer Fußnote), dass metaphysische, insbesondere religiöse Aspekte zwar eine zentrale Bedeutung für die Lebensqualität eines Patienten haben können, doch seien diese medizinisch wenig relevant und sollten sich unter "psychischer Umgang mit Krankheiten" erfassen lassen. Die Rolle einer religiösen Grundhaltung in Bezug auf ethische Belange lässt sie aber dahingestellt (S. 64 f.). Ein echtes Anliegen der Autorin ist die Problematik der Fremdbeurteilung der Lebensqualität (subjektiver Patientenwille vs. Stellvertretung, Mutmaßungen über Wohlergehen etc.). Bei der Diskussion über die inhärente Würde des menschlichen Lebens hält sie es wohl mit der Unverfügbarkeitsposition (Dworkin, Spaemann) und der kantischen Würde, enthält sich aber in "Pluralismus-offener Form" einer Kritik an dem Würdelosigkeitskonzept von Peter Singer & Co. und auch einer Parteinahme in der Diskussion um den Person-Begriff selbst (Birnbacher) (S. 72 ff.). Bei der Verantwortung von Tun und Unterlassen schleicht sich auch hier - wie oft in deutschen Landen - die Verwirrung um aktive und passive Sterbehilfe ein, wobei letztere kaum je als "Sterbebegleitung" verstanden wird. Der Rezensent möchte hier anmerken, dass all diesen Situationen gemeinsam erscheint, eine "Handlung mit Todesfolge" verantworten zu müssen, welche alleine durch die Intention des Handelnden qualifiziert wird (dargelegt u. a. von G. Pöltner, "Grundkurs Medizinethik", 2002). Solange der Tod nicht intendiert (sondern in Kauf genommen) und der natürliche Sterbevorgang gestattet (und nicht absichtlich beschleunigt) wird, sollte die Welt der Ethik noch in Ordnung sein. Beim Arzt-Patienten-Verhältnis (S. 88 ff.) als hippokratisches (oder freundlich-paternalistisches), fordert die Autorin ausdrücklich jene Tugenden ein, ohne die wahres ärztliches Ethos nicht denkbar ist, noch, dazu wenn sie aus dem Blickfeld moderner Medizinethik leicht herausgeraten (S. 90), wie Wahrhaftigkeit, Verantwortlichkeit, Verschwiegenheit und einfühlsame Hinwendung zum Patienten. Gleich darauf (S. 91)wird aber davor gewarnt, die Stärkung dieser moralischen Tugenden "auf bestimmte ethische (neokonservative) Positionen hin zu interpretieren". Elegant balanciert die Autorin die Argumente für und gegen Enhancement aus, wobei nach Meinung des Rezensenten vor lauter gekonnter Liberalität die manifesten Gefahren für Risikogruppen (Jugendliche, psychisch Kranke mit Dysmorphophobie) zu kurz kommen. "Zum Umgang mit Sterben und Tod" (S. 109 ff.) wird der Bogen vom Ruf nach würdigem Sterben über die Hirntoddebatte bis zur Verteilungsgerechtigkeit von Transplantaten gespannt. Leider legt die Frau Professor gleich eingangs (S. 110 f.) dar, warum sie gegen die Differenzierung von Sterbehilfe und Sterbebegleitung sei, dass die Verbesserung der Hospize und Palliativmedizin die Fälle der aktiven Sterbehilfe nicht reduzieren könne, weil eben manche Mitbürger auf jeden Fall "die eigenen Vorstellungen von Würde im Leben und Sterben

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