Bevor ich schlafen kann : Roman

Helfer, Monika, 2010
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Medienart Buch
ISBN 978-3-552-06142-2
Verfasser HELFER, Monika Wikipedia
Systematik D - Deutsche Literatur
Schlagworte Oberstufe, Identitätsfindung, 7. Klasse, 8. Klasse, Brustkrebs, Ehekrise, Unglück
Verlag Deuticke
Ort Wien
Jahr 2010
Umfang 222 S.
Altersbeschränkung keine
Sprache deutsch
Verfasserangabe Monika Helfer
Annotation "Brust weg, Mann schwul und tot auch noch" Monika Helfers neuer Roman "Bevor ich schlafen kann" Das Unglück, weiß Dr. Josefine Bartok, genannt Josi, Psychiaterin im Otto-Wagner-Krankenhaus auf der Baumgartner Höhe und Spezialistin für Magersucht, "kommt immer zweimal oder dreimal oder viermal sogar, und immer kommt es kurz hintereinander". Als das Unglück plötzlich persönlich gleich mehrfach zuschlägt, gerät ihr scheinbar geordnetes Leben gehörig durcheinander. Neben ihrem beruflichen Erfolg war auch ihr Privatleben bis zu diesem Zeitpunkt in harmonischen Bahnen verlaufen, ihr Mann Tomas betreibt ein Fitnessstudio, die beiden Kinder Karla und Bruno sind erwachsen und aus dem gemeinsamen Haus bereits ausgezogen. Bei einer Mammographie diagnostiziert man Krebs, sie muss sich an beiden Brüsten operieren lassen, und kurz darauf bekennt sich ihr Mann nach zwanzig Jahren Ehe zu seiner Homosexualität und überlässt es seinem Freund Edgar, sie davon in Kenntnis zu setzen. Während sie ihre Krankheit als Tatsache akzeptiert, kann sie mit der Enttäuschung über die andere sexuelle Orientierung ihres Ehemannes schwer umgehen. Professionell geschult im Umgang mit physischen und psychischen Problemen, handelt sie rasch, sucht um Frühpensionierung an und zieht nach einem Zwischenstopp im Wiener Hotel Ananas in eine eigene Wohnung, spricht mit ihren Möbeln und beschließt, nur mehr Anzüge zu tragen. Sie probiert es mit der Verkleidung und Verfremdung als zarter Mann, unterstützt von ihrer Tochter, die diverse Anzüge aus ihrer Arbeitsstätte, der Kostümwerkstätte eines Theaters, anschleppt. Josi entwirft sich als androgyne Kultfigur à la Laurie Anderson, aber selbstironisch bekennt sie, dass sie einen "Panzer" trägt, der nur "zufällig wie ein Hosenanzug aussieht". Was sie erst langsam lernen muss, ist ein Gefühl für ihren eigenen Körper und ihre eigenen Bedürfnisse zu entwickeln. Josi ist verzweifelt und greift zu ungewöhnlichen Mitteln der Selbstheilung. Sie weiß, dass sie ihren beruflichen Erfolg ihrer Distanz verdankt, sie ist spröde und bisweilen brutal direkt. In ihren Gesprächen mit den neuen Möbeln versucht sie eine Selbsttherapie, rechtfertigt ihre Brutalität, für die sie von ihren Patientinnen geliebt wird, "weil ich sie nicht geliebt habe", und erhofft sich von ihrer Nähmaschine oder von der Stimme im CD-Player - sie gehört Michael Köhlmeier, der die Sagen des klassischen Altertums erzählt und im wirklichen Leben der Ehemann von Monika Helfer ist - Verständnis für ihre Haltung. Denn wie hätte sie es in der Therapie mit einer Frau "anders anstellen sollen, damit sie mich in Frieden lässt. Heute wäre sie gesund, und ich wäre krank, morgen wäre sie jung, und ich wäre tot. Das käme dann noch zu allem anderen dazu. Brust weg, Mann schwul und tot auch noch." Das dann doch nicht. Josi will dem Glück noch eine zweite Chance geben. Die Figur der Josi reiht sich ein in die starken und ungewöhnlichen Frauenfiguren, die in vielen Büchern von Monika Helfer zu finden - aber skandalöser Weise nicht mehr im Buchhandel erhältlich sind. Ich erinnere nur an Titel wie "Die wilden Kinder", "Oskar und Lilli", "Ich lieb Dich überhaupt nicht mehr", "Wenn der Bräutigam kommt", "Mein Mörder". Josi ist eine unangepasste Außenseiterin, aufgespannt "zwischen Depression und Dynamit", die sich "mit einem Mann guten Sex" wünscht und schließlich auch bekommt. Aber vorher schickt Monika Helfer sie noch auf eine griechische Insel zu einem Erzählseminar von Michael Köhlmeier, weil sie ja so gerne seine CD mit den Sagen des griechischen Altertums hört. Deshalb kommen Josis Kinder auf die Idee mit dem Erzählseminar. In Hydra landet sie zwar in einem Zimmer, das "in einem unterklassigen Zustand" ist, aber sie lernt auch die zwölfjährige Tochter Paula der Köhlmeiers kennen, mit der eine intensive Freundschaft beginnt und die nicht ganz zufällig so heißt wie die 2003 bei einem Unfall verstorbene Tochter Monika Helfers. Paula ist eine wunderbare Spiegelfigur, gleichermaßen kindlich und weise. Und Josi verliebt sich auf der Insel in den verheirateten Apotheker Max Lorber, der mit Paulas Hilfe in Wien schließlich ihr Geliebter wird. Zu den irritierenden Momenten der Lektüre von Monika Helfers Roman "Bevor ich schlafen kann" zählt sicherlich das Spiel mit den autobiographischen und literarischen Bezügen, wenn die Protagonistin des Romans in Griechenland auf ihre Erfinderin trifft und die verstorbene Tochter der Autorin zur Romanfigur wird. Aber es passt zur raffinierten Erzählweise von Monika Helfer, deren literarische Qualitäten bisweilen ebenso unterschätzt wurden wie ihr schonungsloser und unsentimentaler Blick auf Familienszenarien jenseits herrschender und akzeptierter Vorstellungen. Wer kann schon so lakonisch und präzise wie Monika Helfer von verqueren/queeren Beziehungen in unserer Gesellschaft erzählen? Zehn Jahre haben wir auf ihren neuen Roman "Bevor ich schlafen kann" gewartet, es hat sich gelohnt. *Literatur und Kritik* Christa Gürtler

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